Parasite

Als Regisseur Bong Joon Ho 2019 mit „Parasite“ die Filmwelt erschütterte, schien der Triumph vollständig: die Goldene Palme in Cannes und vier Oscars. Ein Werk, das sich zwischen Sozialdrama, Thriller und bitterer Komödie bewegt – präzise wie ein Skalpell, brutal ehrlich in seiner Beobachtung gesellschaftlicher Widersprüche. Im Jahr 2020 erschien schließlich die Black & White-Version, die heimkino im Oktober unter dem Motto „It Stains in the Family“ erstmals in Köln im Kino zeigte.

Die verarmte Familie Kim lebt in einer engen Kellerwohnung in Seoul und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Als Sohn Ki-woo (Choi Woo-shik) die Chance erhält, beim reichen Ehepaar Park als Nachhilfelehrer zu arbeiten, erschleicht sich die Familie nach und nach verschiedene Positionen im luxuriösen Haushalt: Schwester Ki-jung (Park So-dam) als Kunsttherapeutin, Vater Ki-taek (Song Kang-ho) als Chauffeur und Mutter Chung-sook (Chang Hyae-jin) als Haushälterin. Doch ihr scheinbar perfekter Plan gerät ins Wanken, als das ehemalige Hausmädchen ein dunkles Geheimnis enthüllt. Aus dem sozialen Aufstiegsspiel wird ein albtraumhaftes Geflecht aus Lügen, Angst und Gewalt.

Black and White Still Parasite Bong Joon Ho

© Koch Films

In Farbe ist „Parasite“ ein Film der Kontraste – das warme Licht der Park-Villa gegen die feuchten Schatten des Kellerapartments, das üppige Grün des Gartens gegen das graue Elend der Straße. In Schwarzweiß jedoch verschwinden diese eindeutigen optischen Gegensätze und mit ihnen die Illusion klarer Grenzen. Das moralische wie das soziale Grau treten hervor – subtil, schleichend, aber unaufhaltsam. Der Verzicht auf Farbe zwingt das Auge, die Architektur, die Texturen, die Körperhaltungen neu zu lesen. Das Spiel von Licht und Schatten gewinnt an metaphorischer Tiefe.

Was „Parasite“ so einzigartig macht, ist seine Weigerung, sich in ein Genre sperren zu lassen. Der Film beginnt als Gesellschaftssatire, kippt in eine Komödie, gleitet in einen Thriller – und endet in einer Katastrophe. Bong Joon Ho nutzt diese Brüche nicht als Spielerei, sondern als Methode. Jeder Tonwechsel entlarvt die Illusionen, die wir über soziale Ordnung hegen. Die Figuren sind keine Schablonen, sondern Spiegel einer globalen Wahrheit: die Reichen leben auf den Hügeln, die Armen im Keller, und beide Seiten sind voneinander abhängig – parasitär im wahrsten Sinne des Wortes. Die Familie Kim ist nicht moralisch verdorben, sondern moralisch verzweifelt. Ihr Betrug ist ein Symptom eines Systems, in dem Würde zum Luxus geworden ist.

Black and White Still Parasite Bong Joon Ho

© Koch Films

Im Kontext des Oktober-Themas „It Stains in the Family“ bei heimkino offenbart sich eine weitere Dimension: „Parasite“ erzählt nicht nur von Klassenunterschieden, sondern auch davon, wie Armut innerhalb von Familien weitergegeben wird – wie sie sich einbrennt in Körper, Sprache und Träume. Die Kim-Kinder tragen die gescheiterten Hoffnungen ihrer Eltern, wie ein unsichtbares Erbe. Und auch die Familie Park ist, bei aller Fassade des Wohlstands, geplagt von der Angst, den eigenen Status zu verlieren. Zwischen den Generationen entsteht ein stummes Wissen, dass Aufstieg immer nur auf Kosten anderer möglich ist. Das zeigt, dass soziale Ungleichheit nicht nur die Stadt, sondern auch das Zuhause vergiftet. Dass der wahre Parasit nicht die arme Familie im Keller ist, sondern das System, das sie dort hält.

Trotz seiner gesellschaftlichen Härte ist „Parasite“ auch ein zutiefst unterhaltsamer Film. Bong Joon Ho versteht das Kino als Raum für Widersprüche. Das Publikum lacht oft laut, nur um im nächsten Moment schockiert zu verstummen. Diese Gratwanderung zwischen Lachen und Entsetzen ist das Markenzeichen des Films. Sie erinnert daran, dass die Realität selbst absurd ist. In der Vorstellung im CINENOVA in Köln Ehrenfeld war dieses Wechselspiel spürbar: Gelächter, dann Stille.

Bong Joon Ho hinterlässt das Publikum in einem Zustand der Unruhe. Kein moralischer Zeigefinger, keine Lösung – nur der Spiegel einer Gesellschaft, die keinesfalls Fiktion ist. „Parasite“ zwingt uns, hinzusehen, wo wir sonst so oft wegsehen. In einer Zeit, in der die Kluft zwischen Arm und Reich rapider wächst als je zuvor, ist dies kein Film über Korea, sondern ein Film über uns alle. Grotesk, tragisch, komisch und erschütternd – manchmal alles zugleich.

Hier geht es zur Oktober-Programm Monatsübersicht.

Film Poster Parasite Bong Joon Ho
Zurück
Zurück

„Out of Time“ - November 2025

Weiter
Weiter

Incendies