Donnie Darko
Als „Donnie Darko“ im Jahr 2001 in die Kinos kam, tat er das unter ungünstigen Vorzeichen: ein düsterer Film mit einem Flugzeugunglück nur wenige Wochen nach 9/11 – die Öffentlichkeit war kaum bereit dafür. Der Film war ein Kassen-Flop und doch hat er sich mehr als zwei Jahrzehnte später zu einem echten Kultfilm entwickelt und gilt heute als einer der prägendsten Independentfilme seiner Ära. Im heimkino-November zum Thema „Out of Time“ zeigte sich, warum der Film bis heute fasziniert.
Donnie Darko (Jake Gyllenhaal), ein emotional und mental fragiler Teenager, ist geplagt von Schlafstörungen und nächtlichen Wanderungen. Eines Nachts erscheint ihm Frank, ein Mann in einem seltsamen Hasenkostüm, der ihm das Ende der Welt in exakt 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden prophezeit. Nach und nach werden Donnies Leben und sein Handeln immer mehr von Frank kontrolliert. Was wie eine klassische Coming-of-Age-Prämisse beginnt, verwandelt sich schnell in eine surreale Abwärtsspirale.
© Studio Canal
Regisseur Richard Kelly verwebt psychische Instabilität, Science-Fiction-Elemente und metaphysische Fragen zu einem Geflecht, aus dem es kein eindeutig rationales Entkommen gibt. Donnies mentale Verfassung bleibt immer in der Schwebe, wodurch die Grenzen zwischen Realität und Wahn nie klar sind. Der Film spielt geschickt mit der Frage, ob Donnies Visionen real sind oder bloß Ausdruck seiner Erkrankung. Doch Kelly ist weniger daran interessiert, eine klare Antwort zu geben, als daran, die fragile Grenze zwischen beidem darzustellen. „Donnie Darko“ fasziniert und funktioniert gerade deshalb so gut, weil er das Publikum zwingt, sich emotional zu orientieren, lange bevor sie es intellektuell und rational können – wenn überhaupt.
Trotz des Settings in den 1980er Jahren verkörpert „Donnie Darko“ den Y2K-Charme der Filme aus den frühen 2000ern perfekt. Kellys Bild der amerikanischen Vorstadt ist ebenso bissig wie melancholisch. Lange Straßen, gemähte Rasenflächen und übereifrige Eltern mit pädagogischem Aktionismus – eine perfekte Kulisse, die nur darauf wartet, von Donnies innerem Chaos aus den Angeln gehoben zu werden.
Viele der Nebenfiguren wirken karikaturhaft und doch glaubwürdig: die überengagierte Lehrerin und Mutter Kitty Farmer (Beth Grant), der selbsternannte Motivationsguru Jim Cunningham (Patrick Swayze) oder Donnies verständnisvoller, aber überforderter Physiklehrer (Noah Wyle). Sie alle spiegeln die hilflose Art und Weise wider, wie Erwachsene mit jugendlicher Komplexität umgehen und wie Donnie sich in einer Welt befindet, in der er einfach in keine Schublade passt – und auch nicht passen will.
© Studio Canal
Im November bei heimkino fügt sich „Donnie Darko“ perfekt in die Monatsreihe „Out of Time“ ein. Während andere Filme des Monats die Zeit als formbare Größe begreifen – durch Schleifen oder Zeitreisen –, geht „Donnie Darko“ einen radikal introspektiven Weg. Zeit erscheint hier nicht als physikalische Konstante, sondern als existenzieller Zustand. Donnie erlebt die Zeit nicht, er erleidet sie: als Druck, als Vorahnung, als schicksalhafte Bewegung, der er kaum entkommen kann. Gerade dadurch erweitert der Film das Monatsmotto um eine besonders düstere, aber faszinierende Dimension. Er zeigt, wie sich Zeit anfühlt, wenn sie zur Bedrohung wird – und wie man sich wehrt, wenn das eigene Leben aus der Ordnung fällt.
Wer den Film auf der großen Leinwand erlebt, spürt, wie intensiv seine Atmosphäre wirkt und wie präzise Kellys Bildsprache konstruiert ist. Jede Nahaufnahme, jede Zeitlupe, jeder Blick von Donnie trägt eine Schwere, die im Kino plötzlich körperlich wirkt. Das Publikum im CINENOVA schwankte sichtbar zwischen Faszination und Beklemmung – ein kollektives Eintauchen in einen Film, der keine einfachen Antworten bietet, dafür aber ein Gefühl, das man nicht so schnell wieder abschüttelt.
Dass „Donnie Darko“ heute als Kultfilm gilt, liegt nicht zuletzt daran, dass er sich hartnäckig jeder eindeutigen Interpretation entzieht. Jede Sichtung verschiebt die Bedeutungen neu. Seine Kraft liegt im Zwischenraum: Dieser Film lebt davon, dass man ihn nicht „versteht“, sondern erlebt. Am Ende hinterlässt „Donnie Darko“ ein Gefühl, das sich schwer einordnen lässt – eine Mischung aus Melancholie, subtiler Bedrohung und der Ahnung, etwas Wesentlichem ganz nah gekommen zu sein, ohne es doch greifen zu können. Genau das macht den Film so außergewöhnlich: Er verweigert die klare Auflösung und schenkt dem Publikum stattdessen einen Raum, über die eigene Existent im Kontext von Raum und Zeit zu philosophieren.
Noch mehr Zeitphänomene gibt es im restlichen November-Programm bei heimkino. Hier geht es zur Monatsübersicht.