Beyond the Infinite Two Minutes
Es gibt Filme, die lautstark verkünden, wie groß ihre Vision ist – und es gibt jene seltenen Werke, die mit einer unscheinbaren Idee eine ganze Filmwelt in Erstaunen versetzen. „Beyond the Infinite Two Minutes“ von Junta Yamaguchi gehört zweifellos zur zweiten Sorte. Gedreht in einem kleinen Café in Kyoto, entfaltet der Film eine Zeitreisegeschichte, die so verspielt wie präzise und so alltäglich wie kosmisch wirkt.
Kato (Kazunari Tosa), ein ruhiger Café-Besitzer, stellt fest, dass der Computerbildschirm in seinem Zimmer die Geschehnisse im darunterliegenden Café zwei Minuten in der Zukunft zeigt, während der Fernseher dort wiederum Katos Zimmer zwei Minuten in der Vergangenheit überträgt. Stellt man die Bildschirme gegenüber von einander, entsteht eine Art „Droste-Effekt“: mehrere Versionen derselben nahen Vergangenheit, Gegenwart und unmittelbaren Zukunft überlagern sich. Kato und seine Freunde beginnen, mit dem begrenzten, aber verführerischen Zeitphänomen zu spielen und treiben das Ganze auf die Spitze.
© Busch Media Group
Was Yamaguchis Film sofort auszeichnet, ist die radikale Beschränkung: knapp 70 Minuten Laufzeit, eine einzige, scheinbar ununterbrochene Sequenz und ein kleines Ensemble – alles gefilmt mit einem Handy und niedrigem Budget. „Beyond the Infinite Two Minutes“ ist so konstruiert, dass er wie ein One-Shot wirkt – aufgenommen in lagen Takes und anschließend nahtlos zusammengeschnitten, sodass die Kontinuität der Ereignisse stets und in Echtzeit erhalten bleibt. So wird die Zeit in diesem Film zu einem präsent spürbaren Material.
Der Humor des Films ist präzise und ensemblegetrieben. Das Publikum erlebt eine Reihe kleiner Comedic Beats: Missverständnisse, zeitliche Überlappungen, das Ausnutzen winziger Wissensvorsprünge. In der kollektiven Dynamik der Figuren liegt der Charme des Films: Ihre Begeisterung, ihre Naivität und ihr gelegentlich unkluges Draufgängertum spiegeln genau jene Neugier und menschliche Impulsivität wider, die viele Zeitreise-Filme eher außer Acht lassen.
Formal brillant, bleibt der Film dennoch inhaltlich konzentriert: Es geht weniger um das klassische Zeitreise-Paradoxon als um die Frage, was wir mit einem minimalen Vorsprung gegenüber unserer Zukunft anfangen würden. Durch den kurzen Zeitraum von wenigen Minuten in Richtung Zukunft und Vergangenheit unterscheidet sich „Beyond the Infinite Two Minutes“ in seiner Dynamik maßgeblich von den restlichen großen Zeitreise-Motiven, die dass heimkino-Publikum diesen Monat zum Thema „Out of Time“ gesehen hat. Der Zeitraum ist zu kurz für alles Größere, aber lang genug, um minimale Manipulationen zu erlauben, die in ihrer Verkettung dennoch große Auswirkung haben können.
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Natürlich ist die Idee irgendwann ausgereizt: Manche Gags wiederholen sich und wer auf komplexe philosophische Entwürfe hofft, wird enttäuscht. Ebenfalls schwächen die sich wiederholenden Setups gelegentlich die erzählerische Energie. Der Film ist eher ein faszinierendes Experiment als ein tiefes metaphysisches Studium, aber das will er auch gar nicht sein. Dass „Beyond the Infinite Two Minutes“ lieber bei seiner Leichtigkeit bleibt, als in Ernsthaftigkeit zu kippen, ist bei seiner kurzen Laufzeit eine Stärke: er bleibt fokussiert und stets unterhaltsam.
„Beyond the Infinite Two Minutes“ ist ein Film, der seine Tricks nicht versteckt, sondern sie in den Dienst einer warmen, menschlichen Komödie stellt. Junta Yamaguchi zeigt sich als Regisseur, der technische Finesse und erzählerische Komplexität mit einem feinen Gespür für Figurenkomik verbindet. Wer Filme liebt, die Form zum Inhalt machen und aus minimalen Mitteln Maximales schlagen, findet hier ein kurzweiliges und einfallsreiches Vergnügen.
Noch mehr Zeitphänomene gab es im heimkino-Programm diesen November zum Thema „Out of Time“. Hier geht es zur Monatsübersicht.