Rückkehr nach Ithaka
Wer sich die Wartezeit auf Christopher Nolans „The Odyssee“ ein wenige verkürzen möchte, hat jetzt mit „Rückkehr nach Ithaka“ (Originaltitel: „The Return“) von Umberto Pasolini die perfekte Gelegenheit dazu. In seiner radikal entschlackten Neuinterpretation des Mythos beleuchtet der Regisseur das Leben von Odysseus nach seiner langen Heimreise und macht daraus weniger ein pompöses Epos als ein düsteres, fast kammerspielhaftes Drama über Trauma, Schuld und die Schwierigkeit, nach Krieg und Verlust heimzukehren.
Der vom Krieg schwer gezeichnete Odysseus (Ralph Fiennes) landet nach Jahren der Abwesenheit unerkannt auf seiner Heimatinsel Ithaka, wo er von vielen totgeglaubt ist. Seine Frau Penelope (Juliette Binoche) wird von aufdringlichen Freiern belagert, die sie zur Wiederverheiratung zwingen wollen, während sein Sohn Telemachos (Charlie Plummer) unter deren wachsenden Aggressionen leidet. Odysseus beobachtet die Ereignisse zunächst im Verborgenen, bis er von der Vergangenheit und der Pflicht gegenüber seiner Heimat und Familie eingeholt wird.
© Ithaca Films / Marvelous Productions
Pasolini verzichtet bewusst auf die mythischen Elemente der Vorlage: Keine Monster, keine Götter – dafür Menschen und ihre Narben. Die Kameraarbeit und Bildsprache unterstützen diesen Ansatz: Gedämpftes Licht, erdige Farben, viele Schatten. Das Setting wirkt zurückgenommen, fast karg und doch voller Bedeutung. So entsteht ein schlichter, intensiver Raum, in dem Charaktere und Emotionen dominieren, nicht Kulisse oder Spektakel, wodurch das Publikum gezwungen ist, sich auf menschliche Abgründe und ungelöste Konflikte einzulassen.
Das leise, langsame Erzähltempo verlangt dem Publikum Geduld ab. Oft schleppt sich der Film, zeigt lange Passagen des stummen Leidens, des Zweifelns und der inneren Aufruhr, ohne in irgend einer Weise Erleichterung oder Trost zu spenden. Auch die Dialoge sind stark reduziert. Dafür dominiert der intensive Soundtrack von Rachel Portman. Sie setzt auf fragile Klangflächen, Klaviermotive und Streicher, die wie ferne Echos der Vergangenheit wirken. Die Musik fungiert weniger als klassische Begleitung denn als seelischer Resonanzraum – sie vibriert unter der Oberfläche der Bilder, füllt die Stille und verstärkt die innere Zerrissenheit der Figuren.
© Ithaca Films / Marvelous Productions
Die schauspielerischen Leistungen sind ohne Zweifel das Herz von „Rückkehr nach Ithaka“. Ralph Fiennes bringt Odysseus als verletzten, zutiefst gebrochenen Mann auf die Leinwand – ein Held, der seine Taten nicht mit Stolz sonder mit Scham trägt. Seine physische Transformation, zurückhaltende Mimik und das gewichtige Schweigen sind beeindruckend. Juliette Binoche wiederum verleiht Penelope eine stille Würde und fatale Eleganz – zugleich stark und verletzlich, kämpfend und wartend. Besonders in den Momenten, in denen Penelope und Odysseus sich endlich gegenüberstehen, erreicht der Film eine emotionale Wucht: zwei Menschen, die einander lieben, aber nicht mehr dieselben sind.
„Rückkehr nach Ithaka“ ist kein bequemer Film, aber diesen Anspruch erhebt er auch nicht. Er will nicht die griechische Mythenwelt mit Bombast und Götterdramatik näherbringen. Stattdessen fordert er – mit Fragen und Unsicherheiten, mit Schweigen, mit Bildern von Heimkehr in ein lange verlorenes Leben und dem damit verbundenen Schmerz. Es ist ein Film, der nachhallt, weil er nicht über Antworten spricht, sondern über Wunden – darüber, wie schwer es ist, wieder ein Mensch zu werden, wenn man zu lange ein Held sein musste. Pasolini gelingt damit eine moderne, beinahe universelle Meditation über Posttrauma, Identität und die fragile Konstruktion von Familie.
Beim Tele-Stammtisch haben Lasse und ich „Rückkehr nach Ithaka“ ausführlich besprochen. Zum Podcast hier klicken.
„Rückkehr nach Ithaka“ startet am 27. November 2025 in den deutschen Kinos.