Dracula: A Love Tale
Seit Bram Stoker 1897 seinen Roman „Dracula“ veröffentlichte, ist der blutsaugende Graf zu einer der langlebigsten und wandelbarsten Figuren der Literatur- und Filmgeschichte geworden. Luc Besson greift diese Ikone nun mit „Dracula: A Love Tale“ auf und verwandelt sie in ein opulentes, visuell berauschendes Werk, das zwischen gotischem Horror und überzeitlicher Liebestragödie schwebt.
Im 15. Jahrhundert verliert Fürst Vlad (Caleb Landry Jones) seine geliebte Frau Elisabeta (Zoë Bleu Sidel) und wendet sich in seinem Schmerz gegen Gott – ein Akt, der ihn in den verfluchten Vampir Dracula verwandelt. Geplagt von Trauer und Schuld, verbringt er seine Existenz in einsamer Unsterblichkeit und in der Hoffnung, dass die reine Seele seiner Geliebten eines Tages wiedergeboren wird.
© LEONINE
Bessons Blick auf Dracula ist (bewusst) romantisiert. Wie schon in Francis Ford Coppolas Verfilmung aus 1992 wird der Vampir hier nicht vorrangig als Monster verstanden, sondern als tragischer Liebender. Die Sehnsucht, nicht das Blut, ist sein Antrieb. Selbst die typischen Vampirmotive – der Biss, die Nacht, die Unsterblichkeit – werden nicht vorrangig als Gruselinszenierung genutzt, sondern als Symbole für Nähe, Erinnerung und Stillstand. Wo frühe Dracula-Verfilmungen zwischen Schrecken und Erotik schwankten, findet diese eine andere Balance: Sie macht aus der Figur eine Projektionsfläche für ewige Liebe, aber auch für Obsession. Dracula wird zum Inbegriff eines Mannes, der unfähig ist, loszulassen – gefangen zwischen göttlicher Strafe und menschlichem Verlangen. Weniger Schreckensbild als viel mehr Spiegel einer zutiefst menschlichen Angst: zu lieben und zu verlieren.
Optisch überzeugt „Dracula: A Love Tale“ auf ganzer Linie. Inszeniert mit klarer Bildsprache und präzisem Rhythmus, entfaltet der Film eine einzigartige Ästhetik zwischen Gothic und Surrealismus. Selbst grausame und blutige Szenen sind so wunderschön choreografiert, dass sie berauschen. Musik und Bewegung verschmelzen in Montagen auf hypnotische Art und Weise, während die Geschichte durch die Jahrhunderte gleitet. Doch dieser ästhetische Überschwang hat seinen Preis: Zwischen all der barocken Pracht, den flackernden Kerzen und dem wehenden Samt verliert der Film wiederholt das emotionale Zentrum seiner Geschichte. Die Figuren sind wunderschön anzusehen, aber wirken entrückt und schwer greifbar.
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Besson wagt es, das Tempo fast völlig aus der Erzählung zu nehmen. Statt Handlung bietet er Atmosphäre, statt Spannung Transzendenz. Das kann faszinieren, aber auch ermüden. Denn im Laufe der Zeit wirkt die endlose Spirale aus Schmerz und Schönheit redundant. Gerade in der zweiten Hälfte verliert der Film spürbar an Intensität und emotionaler Schlagkraft.
„Dracula: A Love Tale“ ist kein klassischer Horrorfilm, sondern ein visuell rauschhaftes Liebesdrama über Schuld, Sehnsucht und Erlösung, doch bleibt am Ende die Frage, ob Bessons Dracula tatsächlich etwas Neues über die Liebe sagt oder nur in vertrauten Mustern schwelgt.
„Dracula: A Love Tale“ startet am 30. Oktober 2025 in den deutschen Kinos.
Disclaimer: Meiner Meinung nach kann man Kunst und Künstler nur bis zu einem gewissen Grad voneinander trennen. Es ist allerdings zu bedenken, dass Film eine kollektive Kunstform ist, an der unzählige Menschen vor und hinter der Kamera beteiligt sind. Diese Menschen haben bei „Dracula: A Love Tale“ hervorragende Arbeit geleistet, die ich in dieser Review wertschätzen möchte, ohne mich dabei mit dem Regisseur zu sympathisieren. Ich unterstütze Luc Besson als Person und seine Handlungen in keinster Weise.