The Mastermind

Lange Kamerafahrten, gedeckte Farben und Jazzmusik – mit diesen Mitteln wagt sich Regisseurin Kelly Reichardt an ein Genre, das man zunächst nicht mit ihr verbindet: den Heist-Film. Ihr neues Werk „The Mastermind“ ist ein ästhetisch faszinierendes, erzählerisch jedoch anstrengendes Werk – ein Film, der zwischen stiller Größe und lähmender Langsamkeit pendelt.

Der Film erzählt die Geschichte von J.B. Mooney (Josh O’Connor), einem arbeitslosen Schreiner, der Anfang der 1970er Jahre in Massachusetts lebt. Getrieben von Langeweile, verletztem Stolz und der Sehnsucht nach Bedeutung plant er, gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten, den Diebstahl mehrerer Gemälde des amerikanischen Malers Arthur Dove aus einem lokalen Kunstmuseum. Die Aktion entwickelt sich schnell zum Desaster und Mooney begibt sich auf die Flucht, während er sich zunehmend in Angst, Schuld und Selbstzweifeln verliert. Statt Spannung und Nervenkitzel zeigt Reichardt den Heist als stille Tragödie eines Mannes, der an seinem Wunsch nach Größe und seiner Unfähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, zerbricht.

Josh O'Connor als J.B. Mooney in "The Mastermind" von Kelly Reichardt

© Filmscience

Visuell ist „The Mastermind“ ein Genuss. Die 1970er Jahre werden nicht als schillerndes Retro-Setting inszeniert, sondern als ein Raum der inneren Leere. Jede Einstellung wirkt sorgfältig komponiert. Das Licht ist weich, die Farbpalette ist in gedeckten Tönen gehalten, die an alte Fotografien erinnern. In Kombination mit der gedämpften Tonspur und dem Jazz-Soundtrack entsteht eine Atmosphäre, die einerseits Wärme ausstrahlt, andererseits eine unterschwellige Melancholie trägt. Optik allein reicht jedoch nicht aus…

Reichardts Entscheidung, die Handlung in ausgedehnten, fast meditativen Szenen zu erzählen, mag zu ihrem Stil passen, führte bei mir aber zu einer konsequenten Ermüdung. Besonders in der zweiten Hälfte verliert der Film an Rhythmus. Szenen dehnen sich ins scheinbar Unendliche, Dialoge verhallen im Nichts und das, was als stimmungsvolle Reflexion über Freiheit und Moral begann, verkommt zu einem zähen Stillstand. Der Schnitt ist auffallen träge: Einstellungen, die ihre Wirkung längst entfaltet haben, bleiben bestehen, als wolle Reichardt den Zuschauer zwingen, länger hinzusehen, als es angenehm ist. Nur gibt es eben nicht sonderlich viel zu sehen, denn die tatsächliche Handlung ist recht dünn auf die 110 Minuten Laufzeit verteilt. Was zunächst poetisch wirkt, wird irgendwann zur Geduldsprobe. Selbst die Musik, anfangs ein schönes Stilmittel zur Charakterisierung der inneren Unruhe Mooneys, verliert zunehmend an Wirkung, weil sie sich in Wiederholung erschöpft.

Diese Langatmigkeit konterkariert die Stärken des Films. Denn die Grundidee der Geschichte ist eigentlich großartig: der Versuch eines unbedeutenden Mannes, durch einen Kunstraub Bedeutung zu finden und das unweigerliche Scheitern an der eigenen Mittelmäßigkeit. Reichardt interessiert sich nicht sonderlich für das „Wie“ des Diebstahls, sondern für das „Warum“ – eine Haltung, die intellektuell interessant, aber emotional nicht immer mitreißend ist.

Film Still "The Mastermind" Kelly Reichardt

© Filmscience

Dabei ist Josh O’Connor die heimliche Rettung des Films. Mit minimalem Ausdruck, gesenktem Blick und zittriger Körperhaltung füllt er die Leere zwischen den Zeilen mit stiller Verzweiflung. Er spielt einen Mann, der weder Held noch Antiheld ist – nur jemand, der sich selbst nicht versteht. In manchen Momenten reicht ein Zucken seiner Hand oder ein verlorener Blick aus dem Fenster, um mehr zu sagen als Seiten voller Dialog.

Bemerkenswert ist, wie „The Mastermind“ das Heist-Genre dekonstruiert. Wo sonst Planung, Spannung und Eskalation herrschen, herrscht hier Stillstand, Schweigen, Selbstreflexion. Der Coup ist kein Akt des Triumphs, sondern eine existenzielle Sackgasse. In dieser Umkehrung liegt die eigentliche Provokation des Films – und vielleicht auch seine größte Schwäche. Wer Spannung sucht, wird enttäuscht und wer Bedeutung sucht, muss sie sich mühsam zusammensetzen.

Kelly Reichardt beweist mit „The Mastermind“ einmal mehr ihr Gespür für Atmosphäre und menschliche Unsicherheiten. Doch diesmal verliert sie sich zu sehr in der Kontemplation. Die Idee ist stark, die Ästhetik meisterhaft, der Rest jedoch einfach nur lähmend und ermüdend. Ein Film für Liebhaber des entschleunigten Kinos – und eine Geduldsprobe für alle anderen.

Beim Tele-Stammtisch habe ich in einer Podcast-Episode mit meinem Kollegen Stu noch ausführlicher über „The Mastermind“ gesprochen. Hört gerne mal rein. Zum Podcast hier klicken.

„The Mastermind“ startet am 16. Oktober 2025 in den deutschen Kinos.

Filmposter "The Mastermind" Kelly Reichardt
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